Tuesday, July 10, 2012

Das poetische Subjekt.Universität Maintz 5.7.2012




                Jag är en milsten som har gjort sin tjänst

                ”Ich bin ein Meilstein der seinen Dienst geleistet hat”

                Diese merkwürdige Zeile kommt vor in einer sehr patriotischer Gedichtcyklus aus den Vierziger Jahren von Hjalmar Gullberg,”Röster från Skansen”. Gullberg war ein  Schwedischer Poet ,der es verdient hätte mit einer besseren Zeile auf Deutsch introduziert zu werden. Ich habe aber dieses Zitat gewählt weil es so schön die komische und sprachphilosophisch interessante Verwirrung exemplifiert die sich einstellt als Pronomen ”Ich” und sein Referenz,was es auch sein kann, nicht mehr mit einandern umgehen wollen.
                Ich bin ein Meilstein.
Wie antwortet mann zu einer solchen Behauptung ?
                - So ,wie weisst Du das ?
                - Du lügst! Du bist kein Meilsten.Steine können nicht reden.Steine können auch nicht lügen.Das Repertoar von Steinen ist überhaupt sehr begrenzt.So – wenn Du kein Stein bist,Du Lügner,was bist Du dann ?
                - Ein Poet, - selbstverständlich.
                 
                Wenn ein Stein reden könnte, was würde er sagen ? Und könnte es wirklich wissen, daß es ein Stein ist ? Und wenn ein Meilstein reden könnte, würden wir es wirklich verstehen ? Wie alle begreifen  bietet dies kein ernstes Problem – wir haben es zu tun mit einer poetischen Fiktion.Der Dichter – im Stande jede Verkleidung zu anlegen,die ihm gefällt - redet als ob er ein Stein wäre.In der Tat gibt es viele – vielleicht eine Unmenge – redende Steine  in der Weltliteratur.Der Steingast im letzten Akt von Mozarts Don Giovanni  ist ein celebres Beispiel.
                Der Schwedische Poet Gunnar Mascoll Silfverstolpe schrieb ein Gedicht zu der Weihe von einer Statue in Uppsala ,gewidmet dem,mit dem Luftschiff Italia umgekommenen Polarforscher Finn Malmgren, wo er ein Rückkehr von dem den toden Freund als Statue insceniert ;”allzu schüchtern bis Du als hier als Statue wiederzukehren” .Silfverstolpe  legt sogar ein Antwort im Munde von diesem neuen Steingast :”Ich lebte nicht lange,aber niemand sollte das Leben reuen, das mir zum Teil wurde.
                 
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                Der nur scheinbare  und selbstverständlich illusorische  Widerspruch bei fiktiven Aussagen wie ”Ich bin tot” oder ”Ich bin nicht hier” hat eine Verbindung mit Descartes Cogito,ergo sum. Das Cogito-argument, viel älter als Descartes Meditationen ,und endlos viel diskutiert und kritisiert,von Arnaud bis Jakko Hintikka,kann als ein reductio ad absurdum-argument  verstanden werden.Wenn ich nicht existiere, wird die Vermutung daß ich denke , falsch. Wenn wir das Pronomen erster Person mit einer Eigenname, z. B. ”Alice in Wonderland” ersetzen ,verschwindet der scheinbare Widerspruch.Wie Jakko HIntikka es beschrieben hat;das problematische liegt bei dem Pronomen. Der Sprechakt ”Ich bin tot” scheint nicht ausführbar. Wie meine Amerikanische Studenten nicht zögerten zu einwenden ,können Phrasen wie ”Ich bin tot” oder ”Ich bin nicht hier” vollkommen in Ordnung sein in einem Testamentarischen  Vorschrift oder in einem Antwortgerät. Ein Antwort wäre vielleicht daß  in diesen Fällen haben wir  nur mit Zitaten zu tun . Das wesentliche ist vielleicht,daß wir für einige Sprechakten die Existenz von einem Subjekt voraussetzen.Wie Jakko Hintikka in dem Zusammenhang von dem Cogito,beobachtet hat liegt das kontradiktorische bei
                Ich denke und es ist nicht der Fall daß ich bin
nicht in dem ausgedrückten Gedanken,sondern in der  scheinbaren Unmöglichkeit diesen Gedanken in einem Performativ auszudrücken. Wie  Nietzsche ,ganz überzeugend argumentiert in ”Menschliches,allzu Menschliches” besteht kein logisches Problem darin ,sich denken ohne ein denkendes Subjekt zu vorstellen.Es kann der Fall sein daß die Vorstellung von einem Subjekt ist ein Endergebnis von einer Denkprozesse.

               
               
                Die immer anwesende latente  Spannung zwischen das Pronomen ”ich” und dessen vermutete Referens -  das Subjekt,  ist eine Quelle zu poetischer Energie. Das ”Ich” vetretet ganz bestimmt etwas in dem Gedicht.Aber ist es selbstverständig ,daß es den Poeten vertretet ? Offenbar nicht. Die Stimme des Poeten muß nicht die Stimme des Gedichts sein.
                Diese paradoxale Tatsache  lässt sich vielleicht ein Bischen besser mit einem Beispiel diskutieren.Ich nehme ein eigenes Gedicht,in der Deutschen Übersetzung von Verena Reichel:

                                Ramsbergs Daumen
                                

                                 Es war etwas Eigentümliches
                                 mit einem von Ramsbergs Daumen.
                                 Ich glaube,eine Kreissäge hatte
                                 die Hälfte gekappt.

                                  Er hatte im Jahr `39 unseren Herd
                                  gemauert,und der ist noch intakt.

                                  Das verbleibende Glied
                                  hatte etwas kindlich Rundes
                                 und Schutzloses an sich.

                                   Natur und Unnatur
                                   zur selben Zeit.
                                   Oder die seltsame Fähigkeit der Natur ,
                                   unnatürlich zu wirken.

                                   Noch heute
                                   denke ich oft
                                   an Ramsbergs Daumen

                           (aus dem Schwedischen von Verena Reichel)

                Wer ist dann dieser ”ich” ,der so oft an Ramsbergs Daumen denkt  ? Ist es einfach der Verfasser des Gedichtes oder ist es ”ich” das das Gedicht inszeniert ?Wenn das spätere der Fall ist haben wir,- fürchte ich,mit einem endlosen Regress zu tun.
                Das eine ”ich” ergibt das andere in einer endloser Reihe.Und das Gedicht,- nicht unähnlich eine Dame die immer schneller gehen muss um nicht zu fallen ,weil sie allzu hohe Absätze hat – stolpert immer schneller gegen einen Schluss das immer ausser dem Gedicht liegen muss.
                In erzählender Prosa kan das Wort ”ich” sich in Prinzip auf jemand  beziehen,eine wirkliche oder eine fiktive Person,mit anderen Worten aud den der als redend vorgestellt wir.”Ich bin vierzig centimeter lang” fängt ”Der Zwerg” von Pär Lagerkvist an. In der Prosa können wir ”ich” schreiben und damit zu Kaiser Claudius referieren. In der Poesie ist es zwar auch möglich ein fiktives ”Ich” zu benützen ,aber die Belastung oder Belastungen an das Wort werden andere. In der Poesie wird das wort ”ich” immer problematisch weil es mit einem Autenticitätsanspruch kommet.
                Deswegen Goethes ”bald ruhest du auch”.
                                                
                                                 *
                                                
                Aber damit sind wir nicht fertig.              
                So wie das Pronomen ”ich” in normalen Sprachsituationen verwendet wird, vermuten wir dahinter ein  Subjekt. Steine oder steinerne Statuen eignen sich weniger für diese Rolle, fiktive oder reale Personen besser. Von einem lyrischen Subjekt erwarten wir uns einen höheren Maß von Sensitivität als ein Stein normalerweise leisten kann.Das poetische Subjekt bleibt logische Konstruktion,mehr ein Placeholder ,eine Markierung i.a.w. von einer Stelle vom der aus die Welt gesehen werden kann,als ein reales Subjekt.Das Pronomen des erlebenden Subjekts  muß nicht notwendigerweise in der ersten Person geschrieben werden. Wie in Goethes  Endzeile ”Bald ruhest Du auch” kann ein anderes Pronomen genau diesselbe Funktion füllen.
                Das lyrische Subjekt wurde eben als logische Konstruktion in die Handlung gebracht. Eine Frage ,die sich unmittelbar meldet,ist die,ob nicht das Subjekt vielleicht immer eine logische Konstruktion ist.
                Wenn ich aus meinem neulich erschienen ”Gegen Null.Eine mathematische Phantasie” zitieren darf: Falten Sie ein Papier inn der Mitte.Schreiben Sie ”0” mitten auf dem Fals.Gehen Sie von ”0” aus nach rechts und notieren Sie so viele positive ganze Zahlen wie Platz finden.Gehen Sie von ”0” aus nach links und notieren Sie nun negative ganze Zahlen in der selben Ordnung wie die positiven Rechts.Die Zahlenserie ist nun komplett in sich selbst abgebildet und kann so beliebig weit fortgesetzt werden.Wir haben einen Spiegel zustande gebracht,nein,einen Ewigkeitsspiegel, ”so geht´s in Ewigkeit so wie die Brunnen gehen ”. Doch,was geschieht in dem Falten ? ”
                David Hume’ s bekannte Beobachtung in ”A Treatise on Human Knowledge” daß es unmöglich ist eine Ich-Substanz in dem eigenen Bewußtsein zu erkennen,oder Schopenhauer´s Reflexion in ”DieWelt als Wille und Vorstellung”,daß das Subjekt eine Eigenschaften haben kann,weder zu der Aussenwelt noch zu dem,den Aussenwelt abspiegelnden Innenwelt gehören kann und das also sowohl die Idealisten wie die Materialisten sich irren in ihrer Lokalisierung von dem Subjekt, sind verwandt.Ursache und Wirkung haben kein Zuhause in der Welt des Subjekts.Genausowenig wie Ursache und Wirkung in der Welt des Subjekts existieren.
                 
                                                 *             
                Das menschliche Bewusstsein ist auf intressanter Weise elastisch.Es duldet keine Leerstellen.Der Börsenhändler der auf einmal zwei Bildschirme liesst und im Telephon redet und der Gefange in seiner Zelle ,seit ein Paar Jahren damit beschäftigt eine Fliege zu dressieren auf einem gepfiffenen Signal zu ihm zu kommen – beide haben mentale Räumlichkeiten  die zum selben Mass gefüllt sind.
                Aus dieser Fülle stammt die Poesie.Als Kunst und als subtiles,hocheffektives Instrument daraus eine Welt zu machen.
                Denn das was wir Welt nennen ist kaum mehr als das, wovon wir reden.
                Durch die Sprache spiegelt sich die Welt im Poeten und der Poet spiegelt sich im Welt.Aber die poetische Sprachbenützung ist in vielen intressanten Weisen verschieden von anderen Typen von Sprechakten.  Die platonische Auffassung in dem  Zehnten Kapitel der Republik ist wie bekannt die dass die Poesie ein irrationales Element enthält.Und das also die Poesie eine Art Bedrohung oder Gefahr gegen das Vernunft darstellt.Und umgekehrt  gibt es die romantische Auffassung fass die Rationalität,die Operationen der Vernunft in irgendeiner Weise die Poesie bedroht.
                Es scheint mir genau so unrealistisch als hätte mann behauptet dass die Beckerei in irgendeiner subtiler Weise von der Ölmahlerei bedrohen könnte.
                In der Tat wäre keine Poesie möglich ohne rationale Operationen.Ein Beispiel auf dem ich in der dritten Vorlesung zurückkommen werde ist – selbstverständig – das metaphorische Denken.
                Was ist dann der Unterschied zwischen der Logik der Poesie und der Logik des alltäglichen vernunftigen Diskurses ?
                In der Naturwissenschaft oder in der Nationalwirtschaft strebt der Diskurs danach uns von dem subjektiven mentalen Raum wo wir wohnen uns zu bringen zu einem neutralen,wo wir einandern begegnen können. Die Rede ist  der Übergang vom dem was sich nicht vergleichen lässt – sagen wir das Gefühl das etwas schwer in dem Hand wiegt – zu dem vergleichbaren, z.B. die Feststellung dass etwas auf der Waage so und so viel wiegt. ”Ich” als persöhnliches Pronomen strebt immer im wissenschaftlichen Diskurs danach dritte Person zu werden.Die Sprache der Wissenschaft ist eine  Sprache der dritten Person.Die rationalle Sprachen in Wissenschaft und Technik schaffen einen neutralen sprachlichen Raum zu dem Preis einer verlorenen Authenticität. Die poetische Sprache schafft auch einen öffentlichen Raum aber zu dem Preis von einer Athentizität die immer in Frage gestellt werden kann.
                Die Poesie strebt auch danach  einen für anderen zugänglichen Raum zu etablieren.Aber diese Gemeinschaft hat eine andere Rationalität,eine andere Logik. Der Physiker generalisiert Erfahrungen wo der Poet vielmehr Erfahrungen exemplifiert. Wenn der Dichter es versucht etwas ganz allgemeines zu sagen ,verwandelt er sich zu Rhetoriker.
                Wenn der wissenschaftliche Diskurs danach strebt das ”ich” unserer Erfahrung in ein ”es” zu verwandeln,ist das vielmehr in der Poesie ein ”Du” wozu die Rede gravitiert. Aber die Sache mit den Pronomina ist komplizierter als so,und kann uns vielleicht etwas lernen von der Transmutation von Welterfahrung zu Poesie.  
                                 Das Ergebnis der gelungenen poetischen Operation – also die Analoge von dem konklusiven Beweis in der Mathematik – ist eine festgehaltene Erfahrung.Aber nicht eine Erfahrung von einem allen zugänglichen ”es” wie in ”es schneit” sondern eine Erfahrung erster Person;es ist genau das subjektive in der Erfahrung ,das durch die poetische Prozesse eine Art Objektivität bekommen hätte.
Der poethische Ausdruck einer Erfahrung behält im idealen Fall immer ein Bischen Zweideutigkeit.
                Wie findet dieser Übergang statt ? Was kann das Gedicht behalten und was muss es verwerfen ? ”Bald ruhest Du auch.” ist nicht selbstverständlich.Theoretisch gesehen hätte Goethe ”Bald ruhe ich auch” schreiben können.Und dabei hätte er ein Meisterwerk in eine Banalität verwandelt.Warum ist es so ?
                Ist das ”Du” zu dem Goethe redet,überhaupt ein anderes ”Du” ? Oder ist die Referenz von dem Pronomen wieder der Sprechend e.Wer redet wenn mann zu sich slbst redet ? Kan man zu anderen redan ,als ob man redete zu sich selbst ?
                "Haben Gedichte, hat Literatur die Notwendigkeit, als Gedichte, als Literatur aufzutreten, oder kann ihr Inhalt ohne Verlust mit einem anderen Sprachzusammenhang wiedergegeben werden z.B.  mit einem  philosophischen, mit einem soziologischen, mit einem philologisch-interpretierenden Context?Was macht gegenwärtig ein Gedicht zum Gedicht? Welche möglichen Ausgangspunkte hat es ? (Eine erklärte Welt, eine zu erklärende Welt, eine nicht erklärbare Welt ?)"
               
                So formulierte Walter Höllerer – vor ungefähr 40 Jahren bei einem Kolloquium in Berlin –  ,eine der interessantesten Fragen die es überhaupt gibt wenn es zu Poetischer Form kommt.


                In den Künsten spielt Vieldeutigkeit immer eine wichtige Rolle.Das Ackord bei dem späten Beethoven sagt uns oft was für ein Ackord es ist erst wenn es in dem Zusammenhang einer Ackordfolge gelandet ist ,eine grüne Fläche auf der Kanvase verändert radikal ihren Ausdruck wenn wir es mit Rot umgeben.
                Ein,wie es vorkommen kann,unwichtiger Replik in dem Anfang eines Romans enthält den Schlüssel zu allem was später stattfinden soll.
                Das schwebende ,nocht nicht entschiedene ,das was nur nachher erzählen kann wohin es wollte ,ist das geheime Zentrum des Gedichts.Der gute Poet versteht es ähnlicherweise die Dingen im Schweben zu halten.  Die Wahrheit von der Welt ist nicht eine Endstation.Sie ist eine Prozesse.




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